Seit geraumer Zeit werden intensive Diskussionen sowohl hinsichtlich einer weitreichenderen Nutzung von „Open Source Software“ (OSS) im Public Sector als auch der Bereitstellung von Individualentwicklungen der öffentlichen Verwaltung als OSS nach dem Grundsatz „Public Money, Public Code“ geführt.
In Deutschland befeuert das „Onlinezugangsgesetz“ (OZG) die Diskussionen zwischenzeitlich zusätzlich. Das OZG verpflichtet Bund und Länder, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch online bereitzustellen. Der „Servicestandard für die OZG-Umsetzung“ (siehe [1]) definiert in sechs Kategorien eine Reihe von Prinzipien, denen diese Umsetzung folgen soll. In der Kategorie „Offenheit“ sind dies die folgenden:
- Offene Standards: Bei der Realisierung und dem Betrieb der digitalen Angebote müssen offene Standards genutzt werden.
- Open Source: Der Quellcode aus der Realisierung digitaler Angebote der Verwaltung (Eigenentwicklung) wird als Open Source, d.h. in nachnutzbarer Form mit kostenfreier, eine Veränderung gestattender Lizenzierung zur Verfügung gestellt.
- Wiederverwendung: Vor Konzeption und Umsetzung einer neuen Komponente ist die Möglichkeit der Nachnutzung bzw. Wiederverwendung von vorhandenen digitalen Angeboten und deren Bestandteilen zu prüfen.
Gründe, die für eine Verwendung und eine Bereitstellung von OSS durch die öffentliche Verwaltung sprechen, sind:
- Kosten: Der Einsatz und die Wiederverwendung von OSS spart Kosten (u.a. Lizenz- und Entwicklungskosten). Werden Individuallösungen als OSS entwickelt und veröffentlicht, reduziert die Einbindung und Mitwirkung Dritter eigene Aufwände und damit ebenfalls Kosten.
- Geschwindigkeit: Die aktive Zusammenarbeit mit Dritten, nicht zuletzt der Zivilgesellschaft (wie u.a. im Falle der Corona WarnApp) bedeutet einen intensiven Austausch zwischen Bedarfsträgern, Nutzern und Entwicklern in einer Community. Dieser ermöglicht eine schnellere Umsetzung und Bereitstellung neuer Funktionalitäten und geänderter Anforderungen.
- Innovation: Aus der Community können zudem innovative neue Ideen in die Entwicklung und Weiterentwicklung einfließen.
- Verlässlichkeit: Die Erkennung, Analyse und Beseitigung funktionaler Fehler können aufgrund der Offenlegung des Quellcodes schneller erfolgen.
- Sicherheit: OSS kann frei geprüft werden, unabhängige Audits und Code-Reviews sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich. Dies erhöht die Sicherheit der IT-Verfahren und -Dienste.
- Vertrauen: Gleichzeitig verbessert die Möglichkeit des Einblicks in den Programmcode die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Abläufen und Entscheidungen. Dies fördert das Vertrauen in die öffentliche Verwaltung.
- Souveränität: Die Nutzung von OSS bedeutet Herstellerunabhängigkeit und individuelle Gestaltungsfreiheit. Zwei Aspekte, die für das Erreichen und die Sicherung digitaler Souveränität wesentlich sind.
Die Europäische Kommission hat die Vorteile und Chancen von OSS ebenfalls erkannt. Sie rechnet OSS eine wichtige Rolle im Bestreben der EU zu, die europäische Wirtschaft zu fördern, den Wettbewerb anzuregen sowie insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen neue Impulse für Innovationen zu geben. Ihre Einschätzung unterstreicht die Kommission in ihrer Ende Oktober 2020 veröffentlichten „Open-Source-Software-Strategie 2020-2023 – Offen Denken“ (siehe [2]). Das Potenzial von OSS für die öffentliche Verwaltung formuliert sie in der Zielsetzung der Strategie wie folgt:
„Gestützt auf die transformative, innovative und kooperative Wirkungskraft von Open-Source-Lösungen, setzt sich die Kommission für die gemeinsame Nutzung und die Weiterverwendung von Softwarelösungen, Wissen und Sachkenntnis ein, um bessere europäische Dienstleistungen zu ermöglichen, die die Gesellschaft bereichern und vor allem die Kosten für diese Gesellschaft senken helfen.“
Dieser Zusammenfassung der Gründe für die möglichst weitreichende Nutzung und die Bereitstellung von OSS durch die öffentliche Verwaltung ist nichts hinzuzufügen. Sie bringt es auf den Punkt: Wollen wir unsere digitale Souveränität ausbauen und sichern, müssen alle offen denken, handeln, teilen und zusammenarbeiten. Dies kann, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung, nicht ohne Open Source gelingen.
Einzelnachweise:
- [1] „Der Servicestandard für die digitale Verwaltung“ in/ auf onlinezugangsgesetz.de, abgerufen am 16. Mai 2021
- [2] „Mitteilung an die Kommission – Open-Source-Software-Strategie 2020-2023 – Offen Denken“ (PDF), Europäische Kommission, Brüssel, 21.10.2020, abgerufen am 16. Mai 2021
Quellen und weitere Informationen:
- Website der Initiative „Public Money, Public Code“ in/ auf publiccode.eu, abgerufen am 16. Mai 2021
- Website zur „OZG-Umsetzung“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat in/ auf onlinezugangsgesetz.de, abgerufen am 16. Mai 2021
- Oliver Bildesheim: „Offen und unabhängig“ (PDF) in Kommune21 – Ausgabe 5/2021, S.28, abgerufen am 16. Mai 2021
Zwischenzeitlich ist der oben unter „Quellen und weitere Informationen“ aufgeführte Artikel „Offen und unabhängig“ aus Ausgabe 5/2021 von Kommune21 auch in der Online-Ausgabe erschienen unter https://www.kommune21.de/meldung_36193 (abgerufen am 20. Mai 2021).