KI-Einsatz im Strafverfahren

Im Strafverfahren kann der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) langfristig zu schnelleren, ökonomischeren und qualitativ höherwertigen Entscheidungen führen. Jedenfalls gilt dies für Anwendungsfelder, in welchen eine Vielzahl Faktoren des Einzelfalls empirisch nachvollziehbar das Ergebnis bestimmen. Zu diesem Schluss kommen Simon Eisbach, Prof. Dr. Michael Heghmanns und Prof. Dr. Guido Hertel mit ihren Überlegungen zu denkbaren Einsatzszenarien am Beispiel der Erstellung einer Kriminalprognose.

Ihre Betrachtung und Bewertung haben die Autoren im vergangenen Jahr in der „Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft“ veröffentlicht [1]. Ausgehend von einer Konkretisierung, welches Verständnis des Begriffs “künstliche Intelligenz” den weiteren Überlegungen zugrunde gelegt wird folgt eine Reflektion der Chancen, Risiken und notwendiger Rahmenbedingungen des KI-Einsatzes im Strafverfahren.

Chancen für eine künftige Verbesserung von Kriminalprognosen ergeben sich aus den folgenden Aspekten, in welchen der Einsatz einer KI herkömmlichen Methoden überlegen sein dürfte:

  • KI-Systeme ermitteln ihre Ergebnisse unbeeinflusst von subjektiven Aspekten wie anfänglichen Vermutungen, irrelevanten Informationen, der Reihenfolge der Daten, Tageszeit, von Befindlichkeiten etc.
  • eine KI bedient sich einer Datenbasis, die die singuläre menschliche (hier: richterliche) Erfahrungsbasis weit übertrifft.
  • mit KI ist es möglich, Kriminalitätsrisiken aus dem Zusammenhang mehrerer, unabhängig nebeneinander wirkenden Faktoren zu erkennen, die sich menschlichen Betrachtern des Einzelfalls ggf. nicht erschließen

Bei der Risikoabwägung stehen zwei ineinander verwobene Fragestellungen im Vordergrund:

  • die Frage der Durchführbarkeit und Effizienz einer richterlichen Kontrolle der KI-Einschätzung
  • die Frage der normativen Anforderungen an die Qualität einer richterlichen Entscheidung

In anderen Worten: Handelt es sich (noch) um eine richterliche Entscheidung, wenn die Komplexität der KI dazu führt, dass die Kontrolle nur eingeschränkt möglich ist? Wenn nicht, ist jede Unterstützung ausgeschlossen.

Der Erfolg KI-gestützter Kriminalitätsprognosen steht und fällt also mit dem realisierbaren Grad richterlicher Kontrolle. Diese Umsetzbarkeit steht im Fokus der weiteren Überlegungen der Autoren. Sie stellen dabei unter anderem einen interessanten Vergleich mit Sachverständigengutachten an, untersuchen die Bedeutung des Quellcodes der Algorithmen, des maschinellen Lernens und der Daten für die mit Hilfe einer KI generierten Empfehlungen.

Insgesamt ein sehr interessanter, nachdenkenswerter Beitrag. Eine unbedingte Leseempfehlung – nicht nur für Juristen und Informatiker.

Quellen und weitere Informationen:

  • [1] Simon Eisbach, Prof. Dr. Michael Heghmanns, Prof. Dr. Guido Hertel, Münster (2022): Künstliche Intelligenz im Strafverfahren am Beispiel von Kriminalprognosen in “Zeitschrift für Internationale Strafrechtswissenschaft” (7-8/2022), S. 489-496; Artikel als PDF-Dokument auf zfistw.de , abgerufen am 22.01.2023